Reim
Der Tag schafft dir an / Befehle
du gehst wo du nicht gehen kannst
du redest / redest im Zusammenhang
Der Abend steckt dich ins Internet
Skurrilitäten / Flugzeugabsturz
Paare die sich paaren
Der Tag schluckt dich hinunter / du rutschst
ins Bett
Morgen / Gesicht des Lippizaners
weiß und grau
rasiert sich / Duschtasse macht müde
Kleiderschrank übt Macht / knapp
Angst /
flutet die gewaschenen Achseln
DesEsseintes - 26. Mär, 13:46
Fernbusse gehen von dort / Secession
wo Marc Anton mit seinen Löwen fährt
ab in den Süden
Ab in den Süden mit dir
Aber das ist der Süden eines kleinen Landes
der Süden der stinkenden Wälder
der Süden der Überschwemmungen
kein Sommer bricht an in diesem Süden
kein Herbst quillt Farben des Lichts
in der engen Hütte zischt das Feuer
giftige Pilze treiben
aus dem Totholz der Wände
Laub der Pflanzen Fraß der Raupen
ehe es fällt
Hier bist du mit deinem Zorn am rechten Ort
hier wird dir kalt zu Mittag und kalt am Abend
hier hast du das Sonnensystem
deines Unglücks immer über dir
hier wachst du auf in der Nacht und weinst bis zum Tag
hier bricht die Telefonleitung ab
hier ist kein Empfang
hier brütest du reglos und nährst dich von Konserven
hier wartest du vergeblich.
DesEsseintes - 22. Mär, 19:02
Schritte von oben
Knirschen im Plafond
Stühlerücken
Wenn ich im Bett lag / nachts
in den ersten Tagen
war es gut zu hören
daß noch wer da war / umherging
in diesem leeren Haus
Einschlafen / allein
war wie schlafen ohne Laken
in einem kalten Raum
Jetzt denk ich wieder daran
setze mich auf / horche
nach dem knirschenden Laut.
DesEsseintes - 20. Mär, 01:01
Schreiben ist das Leben in Zeitlupe, sagst du. Du wirst unweigerlich alles versäumen, bleibst hinter der neuen Erfahrung zurück. Das macht aber nichts. Das Kostbarste ist der erinnerte Augenblick. Erfunden oder nicht, hier sitzt das Gedicht.
(Rasselt die Zeitmaschine
Sand im Getriebe
warum du dich gemeldet hast
nach all den Jahren
ich fass es nicht
jetzt hast du mir alles vermasselt
kein Platz mehr für dich in keinem Gedicht
ich fasse es nicht
dein Haar ist schütter, dein Bart ist grau
du hast den Busen einer Frau
ich kenn dich nicht mehr
was ich von dir hatte
die Locke bei mir in der Lade
bedeutet mir mehr als dein fades Palaver
um Kind, Geld und Frau!)
DesEsseintes - 11. Mär, 21:50
In deinen Haaren
Geruch von Harz
Splitter von Nadeln
wo sie gefallen sind
in welches Gesicht
weißt du nicht mehr
Auf den Gesäßtaschen
moosgrüne Flecken
wo du gesessen bist
auf welchem Stein
auf welchem Brett
weißt du nicht mehr
Auf deinem Rücken
Gräser und Mücken
wo du geklebt hast
wo du dich gedreht hast
vom Bauch auf den Rücken
weißt du nicht mehr
In deiner Wäsche
gläserne Reste
Spuren von Schnecken
wo du geronnen bist
wo du gekommen bist
weißt du nicht mehr
Auf deinen Lippen
leuchtende Striche
versiegelte Sicke
wo du geküßt hast
geflüstert und trunken
weißt du nicht mehr
Auf deinen Augen
die Schatten von Tauben
was du getan hast
was du geplant hast
das weißt du nicht mehr
DesEsseintes - 10. Mär, 09:20
Es wird Frühling in diesem Dorf,
die Felder sind aufgedeckt.
Die Sonne leuchtet genauer hin.
Wo sie nicht hinkommt, in den Nischen,
schmoren die üblichen Brocken.
Das Leben der Alten geht in die nächste Runde.
Der Rebschnitt ist abgeschlossen.
Sie gehen auf den Beeten herum und decken etwas zu.
Wenn die Jungen kommen, stehen sie vor verschlossenen Türen,
die Beerdigung ist nicht früher.
Am Nachmittag singen die Vögel gräßliche Lieder.
Der Pfarrer parkt seinen Wagen.
Sie bringen den Sarg zum Grab.
Ein paar Menschen stehen kurz herum.
Anzunehmen, daß ihnen warm ist unter den Mänteln.
DesEsseintes - 28. Feb, 17:18
Blut stürzt die Treppe hinab und schwappt aus dem Kragen.
Die Kühle, die du an der Wange fühlst, ist der Marmor der Fliesen.
Du hast eine Narbe am Hals, die platzt, wenn du darüber rasierst.
Du hast das Rasiermesser lange angedrückt.
Aus der Narbe blutet es vollkommen.
Du hast das Rasiermesser fallengelassen und bist zu Boden gestürzt.
Es ist kein Unglück.
Es ist wunderbar klar.
Du küßt die Fliesen,
küßt ihr kaltes Gesicht.
Schon lange nicht
war alles so nah.
DesEsseintes - 26. Feb, 22:38
Im Regen vorbei fahren die Autos und spritzen gegen die Fenster / Du bist betrunken von gestern / du setzt dich hin, was gelingt dir / rein gar nichts gelingt dir / kein einziger Satz, kein Satz, der was hat / Die Vergleiche, die du machst, hast du woanders gelesen / was du nicht zwingen kannst verschwindet im Nebel / du bringst nichts zusammen, die Metaphern die du auf Lager hast sind alt wie schwarze Bananen / Vergleich dich mit anderen, wie schneidest du ab // Du hast keine Kraft, was bist du nur, du hast keine Gewalt über das was du machst / du bist nicht sonderlich, du hast keinen Witz / wahrscheinlich bist du auch nichts. // Du hast deine Zeit vergeudet mit dem Abgeben von Erklärungen / du hast deine Zeit vergeudet mit Reden / du hast geredet, was jeder verstehen konnte / was von dir kommt ist das dümmste Gerede was sonst // Im Regen vorbei fahren die Autos und spritzen gegen die Fenster / sie verfluchen dich, sie demütigen dich / du bist betrunken von gestern / ihre Metaphern sind besser als in deinem Gedicht.
DesEsseintes - 24. Feb, 14:35
Gelingt es zu bleiben so harre
aus bei den Disteln am schmutzigen Fluß.
Denn?
Hier!
Und der Krebs?
Und der Krebs
hält im Pappbecher
zornige Wohnung.
Und die Sonne?
Und die Sonne
malt bunt ihr Gesicht
im öligen Ufer.
DesEsseintes - 23. Feb, 12:53
Inzwischen riecht hier alles nach Fisch -
daß wir die Wohnung verlassen haben, liegt Tage zurück.
Ausgestreckt auf dem Rücken raten wir nach der Zeit.
Ich stehe auf und gehe auf den Balkon eine rauchen, es dämmert schon wieder.
Die Werbeschriften auf den Hochhäusern werden bemerkbar, die Lichter auf den Hügelketten blinken verläßlich gegen die Flieger.
Im Zimmer zurück zeigt sich auf einmal die Traurigkeit des Glücks.
Du hast dich aufgesetzt und kaust an einem Nußriegel.
Die Handies in den Taschen vibrieren vernehmlicher, die Einschläge kommen näher.
DesEsseintes - 21. Feb, 21:09