Reim

Montag, 19. Januar 2015

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In den Bäumen, die um die Felder stehen, durch deren Mitte der Wind geht, nisten die Misteln, du kannst es sehen. Kein einziger ist verschont.

Wenn du den Mann besuchst, der vor der Schank sitzt, siehst du die Geschwüre, die aus dem Hemd ragen und wie Hörner abstehen unter den Haaren.

Mittwoch, 14. Januar 2015

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Deine Pupillen gleichen den Vertiefungen im Schnee, in ihnen versickert das Licht.
Es ist früh Abend geworden, neue Vertiefungen entstehen, die alten werden jetzt größer.
Im Lampenschein später strahlst du über das ganze Gesicht.
Wie ein Eislappen hängt deine Hand an meinem Genick.

Samstag, 3. Januar 2015

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Niemandem irgendwie bekannt
der Tand verfluchter Jahrhunderte
Groschen und Dukaten
Spitze und Samt
Rüschen delikat
ein Mann greift in die Tasten
ein anderer verlangt Vergebung
ein Kind sitzt und wippt
mitten im Saal
von Bildern zugestellt
schwarz und kaum zu betrachten
bärtige Männer lugen aus furchtbaren Krägen
wer hängt denn da
fragt das Kind und wippt auf dem Sitz.

Montag, 29. Dezember 2014

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Draußen ist plötzlich alles organge geworden am Abend eines kalten Tages im letzten Monat des Jahres. Die Sonne ist unter die Wolkendecke geschlüpft und die hohen Balkone strahlen vor Glück.
Die Straße füllt sich mit Menschen, alle verlangt es hinauszugehen. Doch jagen sie nicht in die Parks und auf die großen Plätze, wo man am besten sieht. Es drängt sie in die großen Geschäfte, in die U-Bahn-Schächte und in ihre Wohnungen, wo man kocht und liebt.

Am Himmel schwimmt das Fruchtfleisch tausender Orangen.
Reglos in großer Höhe, sich umwälzend über den Dächern.
Dann verliert sich die Röte, übrig bleibt Rauch.

Im Park sind die Bäume zu schwarzen Stiften geworden, hinter deren Gitter der Scheiterhaufen im Süden langsam zerbricht.

Ein Mann steht am Zaun der Hundezone und hat alles behalten.
Dann wird es dunkel, dann geht er heim.
Wir werden dabeisein.

Mittwoch, 24. Dezember 2014

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Stille Nacht, heilige Nacht
die Mutter weint, der Vater lacht
nur das entzweite, beleidigte Paar
wünscht sich so sehnlich ein besseres Jahr...

Dienstag, 23. Dezember 2014

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Ich kann mit dir nicht mehr reden, sagt sie. Deine Unterhaltung ist abgedroschen vom Leben. Schone dich und komm wieder!

Mittwoch, 17. Dezember 2014

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Sicher träumen wir von schönen Gedichten. Wie man von fremden Gesichtern träumt, die sich über dich beugen und dich küssen. Wenn du am Morgen darauf vor dem vertrauten aufwachst, ist alles prosaisch.

Dienstag, 9. Dezember 2014

...

Im Parkplatzlicht vor dem Amtsgebäude
der Himmel ist wolkig und düster
nach acht Stunden Schicht erinnert dich nichts
an den Wetterbericht, nicht der Schnee
der milchig auf Feldern liegt, nicht die Gischt
vom Fahrdamm, welche herüberfliegt -
Nach tausend Tabellen siehst du fast nichts
stehst vor dem Fahrzeug und ziehst an der Tschick
verzögerst die Abfahrt und spürst dich kurz mit
halb schmutzig, halb einsam, halb müde.

Montag, 8. Dezember 2014

Neustift am Walde

Warmer Wind schiebt die Anhöhe hinab. Wenn die feuchte Luft steht, bringt das den Trauben die Fäulnis.

Zwischen den Rebzeilen stapf ich hinan. Zunächst über Erde und Lehm, vollgesogen vom Regen der letzten Tage, dann, weiter oben, über Klee, Scherben und Steine.

Hier endet die Ried und der Wald beginnt. Ich setze mich nieder und schau in die Tiefe.

Draußen, am Horizont, ganz im Dunst, landen eins nach dem andern, wie auf Stufen, die vom Himmel führen, die Flugzeuge. (Für mich ist das ganz unverbindlich, niemals sitze ich in einem von ihnen.)

Davor, näher bei mir, wölbt sich die Stadt wie ein Hügel von Sand. Die großen Gebäude liegen darin wie Spielzeug von Kindern.

In der Nähe, auf dem Hügel gegenüber, von Bäumen ganz verdeckt, ist ein Friedhof gut versteckt.

Ich weiß nicht, warum ich so gerne diese Aussichtspunkte aufsuche. Es wird daran liegen, daß ich hier in Frieden liegen sehe, was mich aufhetzt, wenn ich darin gehe.

(24.08.2014)

Sonntag, 5. September 2010

Auf einen Windhund

Du warst meine Schildkröte draußen,
krasser Außenseiter unter den Angeleinten -
Dandy für Verliebte, zogst du mich
über die Plätze.
Dein Spurt war ein Strich
durch die Rechnung vermeintlicher Gegner.
Nie hatten sie dich. Kam einer japsend heran,
sahst du dich um im vollen Lauf
und legtest dann gelassen eins drauf.

Du bist mir geblieben aus dem Konkurs
einer Beziehung.
Gingst zuerst übertrieben auf zwei Beinen an der Leine, nicht auf vieren.
Alles
hat dich erregt: die Stadt, der Gestank, was sich bewegte
und alles, was schneller verschwand.

Im Winter dann trugst du ein blaues Gewand.

Dich fröstelte schnell. Beim Warten
an eiskalten Haltestellen konntest du schnattern
wie eine Gans.
In schlecht geheizten Zimmern schliefst du lange
zugedeckt bei mir im Bett. Bis
dein stinkender Atem mich weckte
und ich dich vertrieb. Du wurdest krank.
Der Tumor brach auf und verschwand
und kam wieder. Auf einem Wiesenhang
hab ich Dich noch einmal zum Laufen gebracht,
im Kreis um mich herum,
zwei kleine Runden.

Die letzten Tage lagst du nur auf deinem Platz,
du konntest nicht mehr.
Rangst nächtens nach Luft - inoperabel:
Die Lunge voll Metastasen.

Ich nehme die Leine, es ist so schwer,
dein Blick verfolgt mich wie immer.
Der Befehl, den Du mochtest, der einzige:
Komm her - wir gehen.

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